Es ist ein Ausschnitt der Webseite „Schau Rein Inklusiv“ mit mehreren Suchergebnissen zu sehen. Jedes Suchergebnis befindet sich in einem Rechteck mit blauem Rahmen und weißem Hintergrund. Jedes Suchergebnis besitzen links ein großes Bild. Rechts stehen oben im Rechteck jedes Praktikums in groß der Praktikumsname. Darunter wird die Firma und der Ort genannt, Darauf folgt eine mit Symbol versehene Angabe zur Berufsgruppe und zur Barrierefreiheit. Bei dem markantesten Suchergebnis steht als Praktikumsname „Versorgung der Gäste“ und als Firma und Ort „Avantia Hotel Leipzig“ und „Leipzig“. Als Berufsgruppe steht „Hotel“ mit einem Symbol eines Hotels und „barrierefrei“ mit einem Symbol eines Rollstuhls. Die anderen Suchergebnisse sind nur angeschnitten zu sehen und beinhalten die Praktikumsnamen „Maler und Lackierer“, „Gärtner“ und „Koch“.

Bachelor-Arbeit: Barrierefreiheit für Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung – Untersuchungsergebnisse

Damit Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung nicht digital abgehängt werden, sollten Webseiten speziell für diese Menschen barrierefrei gestaltet werden. Von einem einfach nutzbarem Web profitieren zudem alle Menschen. Doch was hilft kognitiv Beeinträchtigten? In der Bachelorarbeit „Schau Rein Inklusiv!“ wurde im dualen Studium bei Sandstein mit 18 kognitiv Beeinträchtigten untersucht, wie Webseiten für Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung barrierefreier gestaltet werden können.

Leichte-Sprache-Seite auffindbar machen

In der Bedarfsanalyse wurde mit 5 kognitiv Beeinträchtigten auf Bundesregierung.de getestet, ob die Leichte-Sprache-Seite auffindbar ist. Keine der 5 Testpersonen fand die Leichte-Sprache-Seite. Auf Bundesregierung.de wird mit nur einem Icon ohne Text-Label auf die Leichte-Sprache-Seite verwiesen. Das Icon für Leichte Sprache wurde nicht erkannt und zum Beispiel als ein Icon für „Mehr Informationen“ benannt. Die Testpersonen mit kognitiver Beeinträchtigung hätten auf Bundesregierung.de die normale Seite und nicht die Seite für Leichte Sprache genutzt.

Damit die Leichte-Sprache-Seite auffindbarer wird, sollte das Icon für Leichte Sprache im Header auch mit einem Text-Label versehen werden. Zusätzlich kann die Seite für Leichte Sprache z.B. mit einem Teaser auf der Startseite mehr hervorgehoben werden.

Screenshot: Seite oben mit Symbol Buch zur Leichten Sprache.
Auf Bundesregierung.de fanden die kognitiv beeinträchtigten Testpersonen die Leichte-Sprache-Seite nicht.

Verbreitung der Leichten Sprache

Da in der Bedarfsanalyse mehrere Testpersonen fragten, was Leichte Sprache sei, wurde mit 9 kognitiv Beeinträchtigten untersucht, ob der Begriff der Leichten Sprache gekannt wird. 7 der 9 Testpersonen kannten den Begriff der Leichten Sprache nicht. Eine Person verstand Leichte Sprache als Sprache wie Französisch. Die 2 Personen, denen Leichte Sprache bekannt war, kannten diese erst nach langem Überlegen. Ohne den Begriff und das Icon für Leichte Sprache zu kennen, ist das Aufrufen einer Unterseite mit Leichter Sprache oder das Suchen nach leichten Inhalten schwierig. Helfen könnte in der H1-Überschrift und im Teaser der Leichten-Sprache-Seite ein zusätzlicher Texthinweis wie „einfach erklärt“.

Es wäre die Aufgabe von Schulen und Betreuungseinrichtungen, den Begriff der Leichten Sprache im Alltag von kognitiv Beeinträchtigten zu etablieren. Interne Druckprodukte von Einrichtungen in Leichter Sprache sollten dabei immer mit „Leichte Sprache“ gekennzeichnet werden.

Suchen und Filter

Der Fokus von „Schau Rein Inklusiv!“ lag darauf, die Suchmaske und den Filter für kognitiv Beeinträchtige möglichst barrierefrei zu gestalten. Eine Hürde stellte für die Testpersonen der Klick auf den „Suchen“-Button nach der Sucheingabe dar, weshalb auf einen „Suchen“-Button verzichtet wurde und während des Such-Inputs live gesucht wird. Zudem waren Selects bzw. Dropdowns für die kognitiv beeinträchtigten Testpersonen schwerer nutzbar, weshalb der Filter der Berufsgruppen stattdessen als Suchvorschlags-Button umgesetzt wurde. Bei den Suchvorschlägen wurde die Anzahl der Suchergebnisse nicht wie üblich mit ausgegeben, weil diese von den Testpersonen nicht zugeordnet werden konnte.

Um die Übersichtlichkeit zu erhöhen, wurden mehrere Suchkriterien wie der Beruf und der Ort in einem Such-Input zusammengefasst. Zudem ist die Eingabe per Sprache möglich, die von den Testpersonen bei geringer Lese- und Schreibfähigkeit genutzt wird. Zudem nutzen einige Testpersonen diese auch für eine bessere Rechtschreibung als beim Eintippen. Eine Fehlertoleranz bei der Sucheingabe erhöht zudem die Barrierefreiheit und eine Auto-Vervollständigung kann auch Rechtschreibfehler reduzieren.

Die Formulierung „Favorit“ für gemerkte Suchergebnisse war für die Testpersonen schwer verständlich, weshalb stattdessen auf „Merken“ und „Merk-Liste“ zurückgegriffen wurde.

Screenshot: Webseite „Schau Rein Inklusiv“ mit Suchmaske

Vorlese-Funktion

Viele Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung können nicht lesen. Deshalb ist eine Vorlese-Funktion für kognitiv Beeinträchtigte unverzichtbar. Weil das Vorlesen im Testing von Menschen mit geringer Lesefähigkeit nicht selbst aktiviert werden konnte, muss das Vorlesen auf Webseiten für kognitiv Beeinträchtigte standardmäßig aktiv sein. Wer nicht vorgelesen bekommen möchte, konnte hingegen das Vorlesen im Testing selbstständig deaktivieren.

Vorlesefunktionen, bei denen die ganze Webseite der Reihe nach gelesen wird, sind für kognitiv Beeinträchtigte wegen der vielen übermittelten Informationen weniger hilfreich. Besser ist ein gezieltes Vorlesen on hover, das am Desktop unter der Maus vorliest. Da man mobil keine Maus verwendet, wurde im Rahmen der Bachelorarbeit „Schau Rein Inklusiv!“ für das zielgerichtete Vorlesen ein mobiles Widget entwickelt, unter dem vorgelesen wird. Zu Beginn des Vorlesens erfolgt am Desktop die Sprachausgabe „Unter der Maus wird gelesen. Zum Beenden Escape drücken.“ und Mobil „Unter dem Lautsprecher wird gelesen. Bewege den Lautsprecher über die Texte.“ Im Testing konnten die Testpersonen das Vorlesen damit selbstständig bedienen.

Screenshot: mobile Webseite von „Schau Rein Inklusiv!“ mit aktiver Vorlese-Funktion.

Hilfe-Overlay

Zur Unterstützung der kognitiv Beeinträchtigten Personen wurde ein Hilfe-Overlay entwickelt. Dabei wird an der Stelle, an der man sich befindet, die jeweilige Hilfe eingeblendet. Das Hilfe-Overlay ist aus einer Schritt-für-Schritt-Hilfe hervorgegangen, weil die Schritt-für-Schritt-Hilfe für die kognitiv Beeinträchtigten Testpersonen nicht von Nutzen war. Bei einer Schritt-für-Schritt-Hilfe muss sich die Hilfestellung gemerkt werden, wohingegen beim Hilfe-Overlay die Hilfe an der eigenen Position eingeblendet wird, ohne sie sich merken zu müssen.

Screenshot: Die Desktop-Webseite von „Schau Rein Inklusiv!“ mit aktiver Hilfe-Funktion.

Hilfe per Chatbot

Zusätzlich zur Hilfe wurde die Möglichkeit für individuelle Fragen gewünscht. Deshalb wurde ein KI-gestützter Chatbot konzipiert, der Fragen in leichten Formulierungen beantwortet. Optimalerweise kann der Chatbot auch die Suche starten und zu den Suchergebnissen scrollen.

Screenshot: Aktive Fragen-Funktion auf der „Schau Rein Inklusiv!“ Webseite mit Chat-Fenster

Barrierefreiheit dient allen

Barrierefreiheit für kognitiv Beeinträchtigte ermöglicht kognitiv Beeinträchtigten überhaupt erst die Teilhabe, hilft jedoch auch Menschen ohne Behinderungen. Gerade im Web möchte sich niemand Gedanken darüber machen, worauf man klicken muss. Der nächste logische Schritt in der Verbesserung der Usability für alle Menschen und der Teilhabe von kognitiv Beeinträchtigten wäre, kognitiv Beeinträchtigte flächendeckend in User Testings aufzunehmen.

Foto: Kognitiv beeinträchtigte Person und Tester sitzen jeweils an einem Laptop.
Susanne Aurin

Susanne AurinLeitung Grafikdesign